Geschrieben von Lydia Skrabania von RESET.org.
„Handys für die Umwelt“ – ein Widerspruch? Mit dem gleichnamigen Projekt will die DUH illegale Entsorgung verhindern und einen Beitrag zum Umweltschutz leisten. Wie, das erzählt Philipp Sommer im Interview.
Was tun mit alten Handys und Smartphones? Bei uns Deutschen lagern viele Millionen alte, aber oft noch funktionstüchtige Geräte in den Schubladen. Dass die nicht in den Restmüll gehören, sondern fachgerecht entsorgt werden sollten, wissen die meisten Nutzer*innen. Was aber noch besser ist: solche Geräte wiederzuverwenden.
Genau das macht die Deutsche Umwelthilfe (DUH) seit mehr als 15 Jahren. Im Rahmen des Projekts „Handys für die Umwelt“ konnten zusammen mit Partnern bereits mehr als drei Millionen alte Handys und Smartphones gesammelt werden. Seit 2018 sammelt die DUH die ausgemusterten Geräte mit dem Rücknahmesystem Mobile-Box, das durch den Nachhaltigkeitsrat der Deutschen Bundesregierung ausgezeichnet wurde.
Mit Philipp Sommer – Diplom-Ingenieur, Abfallexperte und stellvertretender Leiter im Bereich Kreislaufwirtschaft – hat RESET über das Projekt gesprochen. Philipp berichtet, wie massiv Smartphones die Umwelt belasten, wie die Hersteller durch mangelhaftes Ökodesign und geplante Obsoleszenz das Problem noch verschlimmern – und was aus Richtung der Politik dringend nötig wäre, um hier gegenzusteuern.
Philipp, das Projekt „Handys für die Umwelt“ gibt es schon seit 2003. Wie kam es dazu?
Schon damals ist uns als Umweltverband aufgefallen, dass es bei Handys ein Problem gibt, gerade bei der Entsorgung: Viel zu häufig werden die Altgeräte einfach über den Hausmüll entsorgt oder in illegale Sammlungen gegeben. Und selbst, wenn sie bei einem Wertstoffhof landen, gehen sie dort meist einfach nur ins Recycling und nicht in eine Wiederverwendung. Aber die wäre aus Umweltsicht viel, viel besser als das Recycling. Da haben wir schon damals angesetzt.
Was macht ihr denn mit den Geräten, die bei euch landen?
Bei uns wird wirklich jedes einzelne Gerät auf die Möglichkeit einer Wiederverwendung geprüft. Und das gelingt tatsächlich bei ziemlich vielen, etwa bei 28 Prozent. Wenn sich ein Handy zur Wiederverwendung eignet, werden die persönlichen Daten auf den Geräten professionell und vollständig gelöscht. Und wenn ein Gerät dafür noch einmal repariert werden muss, dann wird das tatsächlich gemacht. Unsere Partner haben ein riesiges Ersatzteillager, auf das sie zurückgreifen können. Und ein Gerät, das sich selbst nicht mehr zur Reparatur eignet, bietet oft noch Ersatzteile. Die Wiederverwendung ist das, worauf unsere Handysammlung am Ende abzielt, denn so kann die Lebensdauer eines Gerätes deutlich verlängert werden. Und man spart damit die – wirklich sehr umweltschädliche – Produktion eines neuen Smartphones. Das Fraunhofer Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik hat ausgerechnet, dass durch die Wiederverwendung eines Smartphones etwa 14 kg Primärressourcen und 58 kg CO2 gespart werden können. Also unglaublich viel mehr, als das Gerät selbst wiegt.
Und man vermeidet, dass schädliche Stoffe in der Umwelt landen…
Ja, auch weil verhindert wird, dass ein weiteres Gerät produziert wird, das am Ende womöglich auch noch falsch entsorgt würde. Und bei der Herstellung der Geräte gibt es natürlich massive Umweltauswirkungen, da werden Ökosysteme verseucht, etwa durch giftige Materialien wie Quecksilber oder Zyanid, die beim Goldabbau in die Flüsse gespült werden.
Was passiert anschließend mit den Geräten, wenn ihr sie repariert habt?
Diese Geräte werden dann innereuropäisch vermarktet, z.B. über das Portal Futurephones. Hier gibt es ausschließlich wiederaufbereitete Geräte, natürlich mit Garantie. Das ist dann schon einmal wesentlich umweltfreundlicher. Und außerdem gibt es hier die Besonderheit, dass fünf Prozent des Verkaufspreises an soziale Organisationen oder einen Umweltverband gespendet werden.
Und die Geräte, die nicht repariert werden können?
Der Teil an Geräten, die nicht für eine Wiederverwendung geeignet sind, weil es technisch vielleicht nicht möglich ist oder es keine Nachfrage danach gibt, gehen an einen zertifizierten Recycler hier in Deutschland, der die enthaltenen Ressourcen so weit wie möglich zurückgewinnt, beispielsweise Kupfer und einige Edelmetalle.
Wie könnt ihr sicherstellen, dass die ganzen Altgeräte nicht auf einer dieser Deponien in Ghana landen, wo der meiste andere Elektroschrott aus Europa landet?
Wir arbeiten ausschließlich mit seriösen und zertifizierten Recyclern zusammen, die die Geräte auf eigenen Anlagen behandeln. Und diese sind in höchstem Maße dazu verpflichtet und können eben auch nachweisen, dass die Geräte ordnungsgemäß recycelt werden.
Aber illegale Entsorgung ist tatsächlich ein riesiges Problem. Wir haben in Deutschland jedes Jahr etwa 1,7 Millionen Tonnen an Elektroschrott, leider mit steigender Tendenz. Und mehr als die Hälfte dieses riesigen Bergs wird illegal entsorgt: im Restmüll, in der Umwelt, in Anlagen, die den Elektroschrott illegal, ohne Einhaltung der Umweltvorgaben, verwerten. Und es gibt eben auch einen ganz großen Teil, der exportiert wird und dann in Ländern wie Ghana landet, wo unter wirklich schlimmen Arbeits- und Umweltbedingungen die Rohstoffe herausgeholt werden.
Okay, um das zu vermeiden, kann man euch zum Beispiel die alten Handys und Smartphones per Post schicken. Es gibt aber noch andere Möglichkeiten.
Genau, wir haben vier Möglichkeiten, wie man sich an unserer Sammelinitiative beteiligen kann. Erstens eben das Einschicken per Post. Zweitens gibt es ein deutschlandweites Netz an Sammelstellen, wo man Geräte stationär abgeben kann. Und drittens kann man sehr gerne eine eigene Aktion mit einer Sammelbox starten. So wird man zu einem Multiplikator, der es auch anderen Menschen ermöglicht, alte Geräte zu spenden. Das geht nicht nur für Privatpersonen, sondern auch für Schulen, Vereine, Behörden oder Unternehmen, die Mitarbeiterhandys sammeln wollen. Wir haben Partner in ganz unterschiedlichen Bereichen. Und die vierte Möglichkeit ist, dass Unternehmen neben Mitarbeiterhandys auch ausgediente Dienstgeräte spenden können. Für die haben wir das Angebot Green2B, das spezielle Standards für die Unternehmen erfüllt, etwa Entsorgungsnachweise oder Datenlöschzertifikate.
Welche Wirkung erhofft ihr euch letztlich durch das Projekt?
Wir versuchen damit an mehreren Stellen anzusetzen. Zum einen wollen wir mit der Handysammlung natürlich möglichst viele Geräte korrekt und umweltfreundlich sammeln, sodass sie nicht in falsche Ströme gelangen, wo Ressourcen verschwendet oder Schadstoffe freigesetzt werden. Zum anderen versuchen wir darüber auch die Menschen für dieses Thema zu sensibilisieren und aufzuklären. Und außerdem erzielen wir durch das Projekt eine direkte Wirkung, weil die Erlöse aus der Handysammlung eben auch in Umweltschutzprojekte fließen.
Dass es euer Projekt seit 2003 gibt, erklärt, warum es nicht „Smartphones für die Umwelt“ heißt. Damals wart ihr der Zeit sozusagen im negativen Sinne voraus. Wie sehr hat sich das Problem verschärft, seit es Smartphones gibt?
Das ist das Tragische leider – über die letzten Jahre hat sich die Problematik ganz massiv verschärft. Nicht nur mit dem Aufkommen der Smartphones, sondern auch ganz allgemein der Trend zu immer kurzlebigeren Geräten, die immer schneller kaputt gehen. Und, besonders katastrophal, dass diese Geräte, die immer schneller kaputt gehen, gleichzeitig immer schwerer zu reparieren sind. Der Akku beispielsweise, als das typische Verschleißteil eines Handys, ist mittlerweile nicht mehr problemlos austauschbar, sondern häufig fest verklebt. Und auch das Display als das Ersatzteil, das am häufigsten nachgefragt wird, ist ebenfalls mittlerweile verklebt, sodass man es als Endnutzer kaum mehr austauschen kann. Und auch unabhängige Reparaturwerkstätten haben damit dann natürlich viel, viel mehr Aufwand und müssen die Reparatur zu höheren Kosten anbieten. Es ist also nicht nur das Ökodesign der Geräte schlechter geworden, gleichzeitig gestalten die Hersteller die Reparatur bewusst unattraktiv.
Wie das?
Zum Beispiel, indem sie Ersatzteile möglichst teuer machen oder zum Teil gar keine originalen Ersatzteile anbieten. Und viele Hersteller verschicken Ersatzteile erst nach sehr langer Zeit an unabhängige Reparaturwerkstätten, wodurch das Ganze nochmals – absichtlich – unattraktiver gemacht wird. Und auch bei der Software ist es so, dass ältere Geräte von den Herstellern immer schlechter gepflegt werden. Auch wenn die Hardware noch gut funktioniert, bedeutet das dann, dass diese Geräte ausgemustert werden müssen. So wird dann versucht, die Kunden zu einem Neukauf zu bewegen. Das alles zusammen ist wirklich eine katastrophale Entwicklung, die dazu führt, dass unglaublich viele, zum Teil noch gut funktionierende Geräte, oder solche, die sich leicht reparieren ließen, im Müll landen. Da wollen wir mit unserer Handysammlung ansetzen und damit versuchen, soviel wie möglich zu erreichen, aber auch insgesamt Nutzer darüber aufzuklären, welche Probleme es hier eigentlich gibt und Tipps geben.
Mit eurem Projekt könnt ihr ja letztlich nur Schadensbegrenzung betreiben, nicht aber an den eigentlichen Ursachen drehen. Was müsste hier politisch passieren?
Hier bräuchten wir in erster Linie ein entschlossenes Handeln der Bundesregierung, des Gesetzgebers, der durch verpflichtende Ökodesign-Standards Handys langlebiger und reparaturfähiger machen sollte. Akkus und Displays sollten zum Beispiel durch den Endnutzer problemlos austauschbar sein. Eine ähnliche Vorgabe gibt es bereits im Elektrogerätegesetz im § 4. Die ist aber mit einigen Schlupflöchern so formuliert, dass sie am Ende unbrauchbar ist. Es ist nötig, das verbindlich zu regeln. Und andere Aspekte sind in diesem Gesetz eben auch nicht umfasst.
Nämlich?
Ein ganz wichtiger Punkt ist, dass etwa Ersatzteile von den Herstellern zur Verfügung gestellt werden müssen. Dass es ein Recht auf Reparatur gibt. Dass der Hersteller auch durch Software-Updates die Lebensdauer der Geräte nicht absichtlich verkürzt. Außerdem sollte die öffentliche Beschaffung verpflichtend gebrauchte Geräte oder welche mit dem Blauen Engel vorziehen. Für umweltfreundliche Dienstleistungen, wie die Reparatur, und gebrauchte Produkte sollte ein reduzierter Mehrwertsteuersatz gelten. Deutschland muss hier einen Schritt vorausgehen, dann würde nämlich auch die EU schneller nachziehen. Das typische Verhalten der Bundesregierung ist jedoch, zum Beispiel bei den Ökodesign-Standards auf Europa zu verweisen – mit dem Wissen, dass es dann natürlich deutlich länger dauert und nur der kleinste gemeinsame Kompromiss zwischen den Mitgliedsstaaten gefunden wird.